polbiTour im Grindelviertel am 1. Juni 2024 über Europawahl und Hamburger Bezirksversammlungswahlen
Abstract:
Am Samstag, den 1. Juni, waren wir unterwegs auf der polbiTour „Begegnungen im Wahljahr” und haben das Grindelviertel bei viel Sonne durchkämmt. Wir haben Themen der anstehenden Europawahl und Bezirksversammlungswahlen in Hamburg mit Politiker:innen aus DIE LINKE, SPD und GRÜNE diskutiert. Schwerpunkte waren Wohngemeinnützigkeit, Leerstand und Verkehrsinfrastruktur in Eimsbüttel sowie eine gerechte Gesundheitspolitik und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in ganz Hamburg. Auch über die Finanz- und Rentenpolitik Deutschlands und neokoloniale Handelsstrukturen weltweit haben wir gesprochen.
DIE LINKE: Wohngemeinnützigkeit in Eimsbüttel
Unsere erste Station führte uns zum Allende-Platz. Hier haben wir mit Sabine Ritter, Co-Landessprecherin der LINKEN Hamburg, über Wohngemeinnützigkeit in Eimsbüttel gesprochen. Sabine Ritter betonte die Dringlichkeit einer gerechten Wohnungs- und Mietenpolitik und erläuterte die Initiative zur Umwandlung von leerstehenden Immobilien in sozialen Wohnraum. Ein konkretes Beispiel ist die Grindelallee 80, die seit 2019 leer steht, nachdem der Eigentümer das Haus strategisch entmietet hatte. Durch das Engagement der Linksfraktion und vieler gesammelten Unterschriften konnte 2023 in der Bezirksversammlung ein Antrag auf Einsetzen eines Treuhänders durchgesetzt werden, der nun die Sanierung und Neuvermietung der Wohnungen vorantreibt.
Ein weiteres zentrales Thema war die Gesundheitsversorgung in Hamburg, die stark von der Wohngegend abhängt. DIE LINKE setzt sich für eine gerechte Gesundheitsversorgung ein, die unabhängig von Besitz oder Aufenthaltsstatus allen zugänglich ist. Vorbilder wie die Poliklinik Veddel als soziales Stadtteil-Gesundheitszentrum und Armut und Gesundheit in Deutschland e.V. in Mainz als Versorgungsinitiative für arme Menschen seien Vorbilder, so Sabine. Zudem sei wichtig, essenzielle Dienstleistungen, wie die Pflege, zu rekommunalisieren. So könne einer Privatisierung und damit einhergehenden Ungleichbehandlung entgegengewirkt werden. Denn für alle Menschen notwendige Güter und Dienstleistungen dürfen nicht in privatwirtschaftlichen Besitz fallen, wie es etwa bei Hamburgs größtem Pflegeheimbetreiber Pflegen & Wohnen geschehen ist.
AG Welthandel und Entwicklung: Freihandelsabkommen der Europäischen Union
Am Hauptgebäude der Universität Hamburg trafen wir Dr. Hermann Kaienburg von der AG Welthandel und Entwicklung der LINKEN. Hermann zeigte auf, dass globale strukturelle Ungleichheiten nach wie vor bestehen und jeden zehnten Menschen auf der Welt in Hunger und Unterernährung treiben. Besonders kritisch betrachtete er die Freihandelsabkommen der Europäischen Union (EU) mit afrikanischen Ländern, die oft gegen deren Willen abgeschlossen wurden. Der Export subventionierter europäischer landwirtschaftlicher Produkte nach Afrika stehe in direkter Konkurrenz zu einheimischen Erzeugnissen und schade den lokalen Märkten. So nützen die internationalen Handelsabkommen vor allem großen Konzernen und zementieren Machtstrukturen der Kolonialzeit, so Hermann.
Das Hauptgebäude der Universität, das einst das Kolonialinstitut beherbergte,erinnert noch heute an das koloniale Erbe Hamburgs. In dem ehemaligen Kolonialinstitut wurden zwischen 1908 und 1918 Kolonialbeamte für den Einsatz der Kolonien des Deutschen Reiches in Afrika vorbereitet. Die AG Welthandel und Entwicklung setzt sich für eine verstärkte Aufklärung über neokoloniale Handelsstrukturen ein und organisierte am 23. Mai 2024 die Diskussionsrunde Alternativen zur neokolonialen Handelspolitik der EU in Afrika.
Kicking away the ladder:
Als „Kicking away the ladder“ (die Leiter wegstoßen) bezeichnen Entwicklungsökonomen die Strategie von Industrieländern, die Entwicklung wirtschaftlich schwächerer Länder so zu behindern, dass diese nicht die Stufen zu mehr Wohlstand hochklettern können.
SPD: Neuverschuldungen müssen möglich sein
Unser nächster Halt war die Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, wo wir mit Niels Annen als Abgeordnetem der SPD im Deutschland Bundestag diskutierten. Niels Annen sieht die Herausforderungen, vor denen wir in Deutschland stehen: Die Klimakrise, die Unterstützung der Ukraine, die digitale Transformation und vieles weitere erfordern Investitionen. Sparpolitik sei dabei nicht angebracht, die Schuldenbremse müsse reformiert werden.
In ihrem Programm zur Europawahl 2024 fordert die SPD, dass Neuverschuldungen möglich und Austeritätspolitik geschmälert werden müssen. Nur so kann der Binnenmarkt gestärkt werden. Dass die EU dazu in der Lage sei, habe die Pandemie gezeigt. Unter ihr sei erstmals die wirtschaftliche Kraft der EU genutzt worden zur Stabilisierung der Wirtschaft.
Auch über die Reform der Rente, auf die sich die Ampelkoalition geeinigt hat, haben wir gesprochen. Das beschlossene Rentenpaket II beinhaltet die gesetzliche Aktienrente, die als Wahlversprechen der FDP eingeführt wurde und die jetzt Generationenkapital heißt. Durch ein kapitalgedecktes Sparen über Aktien sollen Zinsen zu mehr Vermögen der eingezahlten Rentenbeiträge führen. Das soll helfen, dass auch künftige Generationen von ihrer Rente leben können. Wir haben Alternativen diskutiert.
DIE GRÜNE Hamburg Eimsbüttel: Kinder und Jugendliche beteiligen
Eine Schuldichte, die deutschlandweit beispiellos ist – mitten im Hamburger Grindelviertel liegt das Schulcluster mit 12 Schulen. Fast 7.000 Schüler:innen stromern an Werktagen durch das Gebiet. Mehr als die Hälfte aller Schüler:innen des gesamten Bezirks Eimsbüttel. DIE GRÜNEN Hamburg Eimsbüttel haben sich für ein neues Verkehrskonzept eingesetzt. Das soll Sicherheit für Schulwege garantieren.
Wichtig für die Erarbeitung des neuen Konzeptes war die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Kathrin Warnecke, Spitzenkandidatin der GRÜNEN für Hamburg Eimsbüttel, betont: Heranwachsende haben zwar einen gesetzlichen Beteiligungsanspruch, doch der werde viel zu selten eingelöst. Sie setzt sich ein für mehr Beteiligung von jungen Menschen hamburgweit. Kinder- und Jugendparlamente seien ein gutes Instrument für kommunale Beteiligung. Auch Jugend- und Kinderbeiräte könnten – ähnlich wie der Inklusionsbeirat oder Seniorenbeirat – für vielfältige Perspektiven sorgen bei Planungen und Projekten, die alle angehen. Andere Bundedesländer sind Hamburg hier voraus.
Wir haben Kathrin und Johannes Scharr, Bezirkslistenplatz 10 für die GRÜNEN Eimsbüttel, am Ende unserer Tour vor dem Helene-Lange-Gymnasium getroffen.
polbiwärts!
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